Marshall Mini Stack MG 15 MS II

Stapeln macht Spaß

ein Test von Hansi Tietgen

Gibt es ein authentischeres Symbol für das Lebensgefühl des Rock ´n´Roll als ein mannshohes Marshall Stack? Wohl kaum! Aber Moment mal: Mannshoch muss es doch heutzutage eigentlich gar nicht mehr sein, schließlich hat Marshall mit dem MG15 MS II seit kurzem ein Fullstack im Angebot, das Platz in jeder Hütte findet, sich aber auch "On Stage" und im Proberaum durchaus wohl fühlt.

Eins steht schon mal fest: Nie hat ein Paketdienstler ein Full-Stack so fröhlich dreinschauend ausgeliefert wie unser Herr Hafernan das MG 15 MS II. Sei´s ihm gegönnt. Das es sich beim MS II trotz einer Schulterhöhe von kompakten 93,5 cm und einem Gewicht von 21,2 Kg um ein vollwertiges Stack handelt wird mir spätestens klar als ich drei fein säuberlich verpackte Einzel-Komponenten aus dem Karton hebe. Bevor es richtig losgehen kann gilt es also die beiden separaten Boxen und das kleine Top-Teil in bester Stack-Manier aufeinander zu stapeln und mit den im Lieferumfang enthaltenen Boxenkabeln zu verlinken. Hey, das sieht ja richtig cool aus. Mal sehen wo sich das Teil in der Redaktion am dekorativsten macht. Augenblick: Dekorativ?! Okay, klar macht das kleine Stack optisch richtig was her, aber dafür ist es eigentlich ja nicht gedacht. Also alle Pläne mit Hilfe des MSII für ein rock´n rolliges Ambiente zu sorgen zunächst mal beiseite geschoben und das gute Stück ins Studio geschafft. Da können wir es wenigstens richtig krachen lassen.

Die Details

Obwohl das Stack richtig cool aussieht (weibliche Gitarristen würden es sicher mit der unsäglichen Bezeichnung "süüüß" belegen), handelt es sich beim neuen Marshall MG15 MSII um kein schmückendes Accessoire sondern um ein vollwertig einsetzbares Aggregat. Die beiden Boxen und das Topteil sind von marshalltypisch robuster Qualität und wurden von vornherein so konzipiert das sie auch dem harten "On Tour Betrieb" problemlos standhalten können. Für die Oberflächenveredelung kommt schwarzes, sehr strapazierfähiges Kunstleder zum Einsatz. Die Gehäuserückseiten sind schwarz lackiert. Robuste Kunststoff-Protektoren schützen die (Moment, eben mal rechnen) insgesamt 24 Ecken vor den Unbilden des Alltags. Und damit nichts wackelt oder verschrammt hat Marshall die Oberseiten der beiden Boxen mit je einem in seiner Form auf die Anordnung der Moosgummi-Füße abgestimmten Kunststoff-Formteil versehen. Das Ergebnis: Einmal aufgebaut steht das Stack wie eine "1".

Die Boxen

Genau wie das Topteil bestehen auch die Boxengehäuse aus per Nut und Feder passgerecht vernutetem MDF. Die präzise Bauweise garantiert nicht nur eine robuste Qualität sondern sorgt auch dafür, dass die Gehäuse eigenresonante, geschlossene Klangkörper bilden. Und das wiederum ist eine Grundvoraussetzung für eine knackige, druckvolle Performance. Auf der Rückseite der schmucken Minis findet sich ein ausgeschnittener Tragegriff und die mit einer Kunststoffmanschette umsäumte Anschlussbuchse. Der Tragegriff hat es allerdings faustdick hinter den Ohren. Da der "Einschnitt" nicht nur die Funktion einer praktischen Transporthilfe übernimmt sondern auch noch als Bassreflex-Öffnung dient, wurde seine Position und Größe genau berechnet.

Liebe zum Detail: Klar, dass bei einem waschechten Fullstack wie dem MS II die untere der beiden Boxen in gerader, die Obere in abgeschrägter Bauweise ausgeliefert wird. Auch auf marshalltypische Insignien wie dem schwarzen Lautsprecherbezug, den mittig angebrachten weißen Marshall-Logos, oder der weißen Dichtlippe muss man bei den beiden kompakten Cabs nicht verzichten.

Klanglich macht die Kombination eines MG 15 Heads mit zwei separaten Boxen durchaus Sinn. Dank der Power der zwei 10'er Speakern und des massiv vergrößerten Gehäusevolumens besitzt das Ministack eine wesentlich sattere Basswidergabe als die Combo-Variante des Amps. Ganz nebenbei sorgt die Aufteilung des Signals auf zwei Lautsprecher für einen klaren Schalldruckvorteil und ein echtes Lautstärke-Plus.

Der Amp

Das Top-Teil basiert auf der Technik des beliebten MG 15 CDR Combo-Amps. Auch der "Motor" des Mini-Stacks ist also zweikanalig ausgelegt. Eine Kanalumschaltung ist ausschließlich über den auf dem Bedienpanel untergebrachten OD Select Schalter möglich. Jeder der beiden Kanalzüge verfügt über eine separate Volume-Regelmöglichkeit. Die Einstellung der Zerrintensität im Overdrive Modus erfolgt mittels eines entsprechenden Gain-Reglers. Neben jeweils einem Bass- bzw. Treble Regler zur Anhebung und Absenkung der beiden Frequenzbereiche, ist der Amp mit einem Contour-Poti ausgestattet. Der Trick hinter der Funktion dieses Potis ist, dass sein Drehen kein starr festgelegtes (Mitten-)Frequenz-Band beeinflusst. Vielmehr findet während des Regelns eine zusätzliche, an die übliche An- und Absenkfunktion gekoppelt Verschiebung der jeweils zugrunde liegenden Filter-Bandbreite statt. Die Parameter wurden dabei von Werk ab so festgelegt, dass der Amp eine möglichst vielfältige stilistische Performance abliefern kann. Dazu aber später mehr. Die Anpassung des integrierten Federhalls erfolgt anhand des zuständigen Reverb-Level Controllers.

MG Features: Ein Ausstattungsmerkmal, das allen Amps der MG Klasse zueigen ist, ist die sogenannte FDD Schaltung. Das Kürzel steht für die Bezeichnung Frequency Dependent Damping (Frequenz abhängiges Dämpfen)und wurde erstmals in der Marshall Hybrid Serie AVT eingesetzt. Die von Marshall entwickelte Schaltung simuliert die Wechselwirkung zwischen Endstufe und Speakern, ein Effekt, der Röhrenamps naturgemäß einen wärmeren Sound verleiht, transitorbefeuerten Gitarrenverstärkern aber erst durch entsprechende schaltungstechnische Zusatzmaßnahmen antrainiert werden muss. Das Zauberwort heißt weiche Ankopplung. Diese gibt den Speakern -einfach gesprochen- die Möglichkeit ein stückweit freier zu schwingen und sorgt so für eine natürlichere Entwicklung des Gitarrentons. Da der Dämpfungsfaktor frequenzabhängig ist, misst die FDD Schaltung die von der Endstufe erzeugte Obertonstruktur des Signals und passt den Dämpfungsfaktor automatisch und in Echtzeit an die jeweils herrschenden Bedingungen an. Neu bei der MG Variante ist die Schaltbarkeit des. So hat der User die Möglichkeit zwischen einem eher sägenden, typischen Transistorsounds und der FDD gestützten "Röhrenvariante" zu wählen. Für eine Erweiterung des Einsatzbereiches des Amps sorgen Zusatz-Features wie die multifunktionell ausgelegten CD IN und Line Out Buchsen. Der Line Out liefert ein sehr gut einsetzbares, emuliertes Line Signal und macht den Amp in Recording Situationen zum Lieferanten für amtliche Direct-Sounds. Mit einer an den CD IN angeklemmten externen Klangquelle (CD-, oder MD- Player) bekommt man die Möglichkeit ohne Aufwand zu Play-Along Trax zu jammen, oder nach den Riffs und Lix seiner Lieblingsbands zu fanden. Das Ganze funktioniert richtig gut und beeinflusst den Grundsound des Amps nicht im geringsten. Aber auch der Köpfhörer-Anschluss hat es in sich. Die integrierter Speaker-Simulation unterstützt angenehme Direktbeschallungs-Orgien und macht jede Stand-Alone Midnight Session zu einem ganz persönlichen Hörvergnügen.

Quick View:

  • 15 Watt RMS Dauerleistung
  • 2 Kanäle (Clean & Overdrive)
  • regelbarer Reverb (Federhall)
  • Dreibandklangregelung mit Contour Regler
  • kombinierter CD-Input & emulierter Line-Out
  • emulierter Headphone Ausgang
  • FDD Elektronik schaltbar
  • 2x 10" Speaker
  • geschlossene Cabinet Gehäuse für satte Basswiedergabe.

    Die Praxis

    Der erste Teil des Tests fand im Rahmen der Aufnahmesession für die PG Gear Check Audios im Studio statt. Als Testgitarre kam eine MusicMan Axis Supersport zum Einsatz. Unsere Nachforschungen starten im OD Channel bei nur leicht aufgedrehtem Gain. In dieser Einstellung liefert das Stack amtliche Marshall-Crunch Sounds. Dabei reicht der Charakter der Performance, je nach Einstellung der Klangregelung und der verwendeten Pick-Ups, von dreckig rock´n´rollig bis bluesig sanft (siehe Audio im PG Gear Check). Alle Sounds haben eines gemeinsam: Sie lassen sich sehr gut aufnehmen und versorgen jeden Song mit dem typischen, ehrlichen Marshall -Ton. Und das ist für eine so kompakte Kiste doch gar kein schlechtes Ergebnis! Auf der Suche nach dem optimalen Setting ist der sehr gut abgestimmte Contour-Regler einmal mehr eine "Macht". Mit seiner Hilfe und der Unterstützung des Treble-, und Bass-Potis lassen sich alle Soundvorstellungen schnell und ohne überflüssige Fummelei realisieren. Das konsequente Aufdrehen des Gain-Reglers bringt den Amp mehr und mehr in Stimmung für die härtere Gangart. Die in dieser Einstellung gelieferten Sounds sind straff und transparent. Genau wie bei den Crunchs macht sich auch im HiGain Bereich die kräftig zupackende Klangregelung bezahlt. Mit ihrer Hilfe sind rasiermesserscharfe Riff-Sounds genauso wenig ein Thema, wie sahnigere, mittenbetonte Leads. Gerade bei aufgedrehtem Master macht sich die zweite Box und das vergrößerte Gehäusevolumen positiv bemerkbar. Verglichen mit der Combo-Version ist die Performance des Amps wesentlich druckvoller, dynamischer und (nicht nur subjektiv) lauter. So gerüstet verdaut das kleine Stack zum Beispiel auch massiv verzerrte Drop Riffs (auch 7-String) klaglos. In diesem Zusammenhang sei auch die "Ehrlichkeit" der Sounds lobend erwähnt. Tatsächlich hat sich das MSII gerade wegen seiner sehr straighten Abbildung des "Eingespielten" als ideales Getriebe für tiefgestimmtes NewRock Riffing erwiesen - gerade wenn es um das Aufnehmen geht. Obwohl eigentlich nicht dafür konzipiert lässt sich das Stack aber übrigens auch "On Stage" und im Proberaum einsetzen. Dazu aber gleich noch mehr.

    Auch der Clean-Kanal des Mini-Stacks lässt keine Wünsche offen. Die Qualität der gelieferten Sounds kann sich wirklich sehen lassen. Marshall hat den Kanal so abgestimmt das er in weiten Teilen des Gain-Regelwegs absolut clean bleibt. Erst im letzten Viertel lässt sich der MG 15 zu leicht angezerrten Sounds überreden. Durch diese Auslegung ist gewährleistet das sich mit dem Amp auch in höheren Lautstärken sehr cleane Sounds realisieren lassen. Erneut sei in diesem Zusammenhang die effektiv arbeitende Klangregelung erwähnt. In Verbindung mit einer cleveren Wahl der verwendeten Tonabnehmerkombinationen stellt der Amp wirklich alle gebräuchlichen Varianten zum Thema " Clean-Sounds" bereit. Das Angebot reicht von warmen, saftigen Jazz-Chord und Leadsounds, über die perkussive Funk-Schiene, bis hin zum brillanten, drahtigen Country-Twäng. Soweit, so gut. Im Studiobetrieb (bzw. Heim-Betrieb) hat das Stack also auf der ganzen Linie überzeugt. Obwohl der kompakte Stapel eigentlich nicht dafür entwickelt wurde konnte ich seiner satten Performance nicht wiederstehen und habe das Teil ins Auto verfrachtet und mit in den Proberaum genommen. Ziel der Mission: Antesten ob sich der im Studio gehegte Verdacht das MS II könnte sich eigentlich auch gegen Bass und Drums durchsetzen bestätigen lässt. Los geht es mit dem Clean-Kanal bei 3/4 Gain. In dieser Einstellung liefert das Stack einen nahezu cleanen Sound bei einer richtig ordentlichen Lautstärke. Und das ganz ohne rappeln oder schnarren. Auch rein mechanisch ist beim MG 15 MSII also alles in Ordnung. Jetzt mal mit Drum ´n´Bass. Okay, das läuft doch gar nicht schlecht. Durch die Kraft der zwei Boxen ist die Performance druckvoll genug um immer klar hörbar zu bleiben. Na dann schauen wir uns doch mal den OD-Channel an. Bei sehr zahmen Gebrauch des Gains hat man schon einige Schwierigkeiten sich zu behaupten - gerade wenn die Rhythm-Sektion "rücksichtslos" drückt. Bei HiGain Sounds sieht es da schon anders aus. Alle Riffs stehen ordentlich im Raum und so sind Stilistiken in denen die Gitarre nicht übermächtig drücken muss mit dem Stack problemlos spielbar. Aber auch NewRocker können natürlich proben - wer allerdings einen "vernichtenden" Druck erwartet sollte lieber auf einen der großen Brüder zurückgreifen. Das wäre bei einem Stack dieser Größe und Leistung dann doch ein bisschen zu viel verlangt. Anders sieht es beim Einsatz in Verbindung mit einer P.A. aus. So unterstützt sind sogar Live-Gigs denkbar. Dabei bieten sich gleich zwei Optionen den Sound standesgemäß an die Luft zu setzen. Da wäre zum einen natürlich die klassische Mikrofon-Abnahme. Zum anderen verfügt der Amp ja noch über den Emulated Line Out, der dank integrierter Speaker-Simulation ein richtig gut klingendes Line-Signal liefert. Einzig die Möglichkeit der Kanalumschaltung per Fußtaster wird man On Stage vielleicht ein wenig vermissen - allerdings sucht man diese Option in der Sparte "Übungsverstärker" ja auch bei den Produkten anderer Hersteller zumeist vergebens.

    TIPP: Man kann natürlich auch den OD Kanal wählen, das Gain voll reindrehen und den Rest mit dem Volumen-Poti der Gitarre erledigen. So sind zwar keine ultracleanen Sounds drin, aber für einen coolen Crunch bei nach wie vor satter Lautstärke reicht es immer.

    Fazit

    Mit dem Ministack MG 15 MSII schlägt Marshall gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Zum einen ermöglicht das dekorative Outfit des kompakten Türmchens enthusiastischen Gitarristen endlich auch das standesgemäße Üben im Wohnzimmer - und zwar ohne von unmusikalischen Mitbewohnern dazu gezwungen zu werden das Equipment nach getaner Arbeit zurück in die Abstellkammer zu packen. Diesen Anblick genießen auch Nicht-Musiker gerne. Zum anderen liefert das coole Fullstack reinrassige Marshall-Sounds frei Haus, die sich in allen möglichen musikalischen Situationen gewinnbringend einsetzen lassen. So sind mit dem kompakten Stack selbst Proben kein Problem und auch einem Einsatz "On Stage" steht, dank der guten Performance und dem amtlich klingenden Line-Out Signal nichts im Wege. Alles in allem hat sich das neue Pferd im MG Stall das Prädikat "cooler Übungsamp mit Ambitionen" durchaus verdient.

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